Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie
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Severisches Kastell MYD(---)/Gheriat el-Garbia (Libyen)

excellentArchäologisch-naturwissenschaftliche Untersuchungen an der römischen Reichsgrenze im nordwestlichen Libyen und in Südtunesien (sog. limes Tripolitanus)

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Bild 1: Ansicht des Kastells von Gheriat el-Garbia mit Oase von  Westen
Bild 2: Ansicht des Kastells von Gheriat el-Garbia von Nordosten
Bild 3: Porta Praetoria (von innen) bei Grabungsbeginn, im Hintergrund Tempelberg mit Tempel GG2
Bild 4: Porta Praetoria (von innen) während der Ausgrabung
Bild 5: Porta Praetoria mit zugesetzter Durchfahrt (von außen), Häuser der Berber-Siedlung und Zwischenturm 2 im Hintergrund
Bild 6: Porta Praetoria mit freigelegter Durchfahrt und seitlichen Durchgängen bei Grabungsende
Bild 7: Tuaregs aus Niger - unsere Grabungsarbeiter
Bild 8: Stabsgebäude, rückwärtige Raumreihe, davor spätantike Gebäudereste


Ansicht des Kastells von Gheriat el-Garbia mit Oase von  WestenIn der zweiten Antragsrunde zur Förderung durch das Investitionskonzept des Zukunftskonzepts LMUexcellent wurde der für das Förderinstrument "Investitionsfonds" eingereichte Projektantrag von M. Mackensen zum o.g. Thema als förderungswürdig eingeschätzt und seiner Realisierung höchste Priorität beigemessen. Das feldarchäologisch-innovative Projekt wird in den Jahren 2009 und 2010 gefördert.

 

Ansicht des Kastells von Gheriat el-Garbia von NordostenIn einem internationalen Forschungsnetzwerk wird die römische Reichsgrenze des 2. – frühen 5. Jhs. am ca. 800 km langen limes Tripolitanus im nordwestlichen Libyen und in Südtunesien untersucht. Angewandt werden differenzierte archäologische Feldforschungsmethoden (Prospektion, stratigraphische Ausgrabung) mit Analyse des Fundmaterials (Keramik inkl. archäometrischer Untersuchungen, Steininschriften, Ostraka) und modernste naturwissenschaftliche Prospektions-, Vermessungs- und Dokumentationstechniken (kombinierte Auswertung von Georadar u. Magnetik sowie von Photogrammetrie u. 3D-Laserscanning) unter Verwendung optischer Satellitenbilder und Satellitenradardaten (TerraSAR-X).

 

Porta Praetoria (von innen) bei Grabungsbeginn, im Hintergrund Tempelberg mit Tempel GG2Die Daten werden in einem Geoinformationssystem (GIS) zusammengeführt. Im Zentrum des Teilprojekts 1 (2009/10) steht das am besten erhaltene Kastell in der Oase Gheriat el-Garbia, 300 km südlich von Tripolis, dessen Größe und die repräsentative Architektur des Haupttors auf den Sitz des regionalen Befehlshabers des limes Tripolitanus im 3. Jh. hinweisen. Die Innenbebauung (Mannschaftsunterkünfte u. Stabsgebäude) soll Aufschluß über die Truppe, ihre Zusammensetzung und deren Aufgaben – insbesondere die Kontrolle des grenzüberschreitenden Personen- und Warenverkehrs (Fernhandel) sowie die Abwehr von Feinden – und die Organisationsstruktur der nordafrikanischen Reichsgrenze des Imperium Romanum geben.

 

Teilprojekt 1 (2009/10)

Porta Praetoria (von innen) während der AusgrabungDas 2,25 ha große Kastell von Gheriat el-Garbia, das neben dem Vexillationskastell Gholaia/Bu Njem (1967–1977 von R. Rebuffat untersucht) das am besten erhaltenste Kastell des limes Tripolitanus ist, wurde bislang nur von den englischen Archäologen D. J. Mattingly und D. Welsby 1980 im Rahmen des UNESCO Libyan Valleys Archeological Survey aufgenommen. Ausgrabungen wurden hier u.a. wegen der schwierigen infrastrukturellen und logistischen Verhältnisse noch nie durchgeführt. Aufgrund einer 1966 veröffentlichten fragmentierten Bauinschrift ist eine Erbauung im Jahr 201 n. Chr. unter Kaiser Septimius Severus gesichert. Als Besatzung ist bis 238 n. Chr. eine Vexillation der legio III Augusta aus Lambaesis/Algerien anzunehmen. Mit einem Ende der Garnison wird in den frühen 60er Jahren des 3. Jhs. oder spätestens um 275 n. Chr. gerechnet.

 

Porta Praetoria mit zugesetzter Durchfahrt (von außen), Häuser der Berber-Siedlung und Zwischenturm 2 im HintergrundDie erste siebenwöchige Kampagne fand vom 16. 03. – 02. 05. 09 als Lehr- und Forschungsgrabung unter Teilnahme und engagierter Mitarbeit mehrerer StudentInnen der Provinzialrömischen Archäologie statt. Ein ausgedehnter Keramiksurvey, der umfangreiches Material vorwiegend des 3. Jhs. erbrachte, und die tachymetrische Aufmessung der Topographie mit den Hochplateaus, den tief eingeschnittenen Wadis mit der Oase und den verschiedenen, obertägig sichtbaren Denkmälern (Kastell, Zugänge, sog. Tempelberg, Steinbrüche, Kammergräber, Abschnittsbefestigung mit Vicus auf der Westseite der Oase) standen ebenso wie die geophysikalischen Untersuchungen am Anfang der Unternehmung. Von dem zu zwei Dritteln von einer neuzeitlichen Berber-Siedlung (wohl 18. – Mitte 20. Jh.) überbauten Kastell (GG1) bot sich die praetentura für Georadar-Prospektion an. Jedoch ist die Bausubstanz sowohl des Stabsgebäudes als auch größtenteils der Mannschaftsunterkünfte wiederverwendet worden, so daß sich nur geringe Reste erhalten haben. Zudem wurde das vordere Drittel des Kastells mit dem Haupttor, wo wohl im Herbst 1942 oder Winter 1942/43 eine italienische (Teil-)Einheit einquartiert war, aus der Luft bombardiert.

 

Porta Praetoria mit freigelegter Durchfahrt und seitlichen Durchgängen bei GrabungsendeAusgrabungen fanden im Bereich des bis 1,80 m hoch verschütteten monumentalen Haupttors (porta praetoria) mit zentraler Durchfahrt und zwei seitlichen Durchgängen sowie hochaufragenden Tortürmen statt. Neben rezenten Nachnutzungen während der ersten Hälfte des 20. Jhs. durch italienische Soldaten wurde eine Zumauerung der beiden Durchgänge und der Durchfahrt (mit der Verbauung von Spolien und Inschriften des 3. Jhs.) festgestellt. Von der Bauinschrift mit tabula ansata, die aus vier Blöcken bestand und oberhalb des äußeren Torbogens in das Quadermauerwerk eingefügt war, fand sich nur der rechte Block mit Rahmung und einer Viktoria mit Siegeskranz nach links. Die nach innen gestürzten Quader des inneren Torbogens fanden sich noch in Sturzlage.

Eine Inschrift des ersten Drittels des 3. Jhs. bestätigt die Annahme einer aus Lambaesis abgestellten legionaren Vexillation; hinzukommen noch mehrere Grabinschriften von Legionssoldaten.Tuaregs aus Niger - unsere Grabungsarbeiter

Außerhalb des Kastells wurden die Aufgänge auf das nach drei Seiten steil abfallende Plateau ebenso wie die nahe gelegenen Steinbrüche lokalisiert. Von Bedeutung ist die noch nicht abgeschlossene Freilegung eines Tempels mit Innenhof und Apsis (GG2), der in ca. 200 m Entfernung vom Haupttor des Kastells auf dem nächsten Plateau liegt.

Vom 04. 10. – 10. 11. 09 erfolgte im Rahmen einer Keramikkampagne die Dokumentation und Aufarbeitung ausgewählter geschlossener Fundkomplexe, denen sowohl bezüglich der Siedlungsgeschichte des Fundplatzes als auch hinsichtlich der Kleinfundchronologie der Region eine zentrale Bedeutung zukommt.

8 GG Principia mit aedes u. SR Mauern DSC_0301Während der zweiten Grabungskampagne (21. 04. – 30. 06. 10) konzentrierten sich die Ausgrabungen auf drei Teilbereiche innerhalb des Kastellareals: auf die nördliche praetentura, den Bereich des Stabsgebäudes (principia) und das rückwärtige Tor des Kastells (porta decumana). Im Vordergrund stand jeweils die Untersuchung der kastellzeitlichen Bausubstanz. Von den Mannschaftsunterkünften in der praetentura Nord hatten sich auf dem anstehenden Fels nur geringste Spuren erhalten. Untersuchungen zur Organisation und Größe der einzelnen Teileinheiten der zwischen 201 und 238 in Gheriat el-Garbia stationierten Legionsvexillation sind somit vorerst hinfällig; unerwartet war in diesem Areal ein annähernd quadratisches, spätantikes Gebäude. Im Bereich der rückwärtigen Raumreihe der principia konnten unter den bereits ruinösen neuzeitlichen Häusern des Berberdorfes noch der zentrale Raum, das Fahnenheiligtum (aedes), und ein weiterer Raum, wohl ein Versammlungsraum (schola), freigelegt werden; im Hof des Stabgebäudes fanden sich massive Mauerreste eines großen, spätantiken Gebäudes. Die Untersuchung der porta decumana ergab klare Baubefunde und wichtige Erkenntnisse zur Erbauung von Tor und Wehrmauer ebenso wie ein wiederverwendetes Fragment der Bauinschrift wohl dieses Tores. Neben Beobachtungen zur Konstruktion und Datierung der Wehrmauer mit Zwischen- und Ecktürmen und der Freilegung der beiden Prinzipaltore (portae pricipales dextra et sinistra) wurde auch die Dokumentation des erhaltenen Mauerbestands der Kastellumwehrung durch terrestrisches 3D-Laserscanning durchgeführt. Bearbeitet wurde zudem die Bauornamentik des 3. Jhs. sowie Tierknochen und Pflanzensamen aus ausgewählten spätantiken Fundkomplexen aus dem Bereich des Haupttores (porta praetoria).

In einer weiteren, vom 05. 10. bis 07. 11. 10 durchgeführten Kampagne wurde die Dokumentation im Bereich der vier Kastelltore, der beiden am besten erhaltenen Zwischentürme an der Südwest- und Nordwestseite des Lagers sowie von speziellen Abschnitten der Wehrmauer ergänzt und abgeschlossen. Zudem erfolgte die Aufmessung der fünf auf dem Geländeplateau östlich des Kastells identifizierten, unterschiedlich großen Tempel sowie einer Zweikammerzisterne nördlich der Kastellnordecke. An dieser Stelle ließ sich darüber hinaus ein mit Steinplatten abgedeckter Kanal dokumentieren, der ins nördlich anschließende Wadi entwässert.

 

Kooperationspartner

Department of Archaeology, Tripolis, Libyen: Dr. Salah Rajab Al-Agab, I. Chatanash u. M. Turjman (alle Tripolis) sowie Dr. M. Zanati (Sabratha)

Beteiligte Altertumswissenschaftler

  • Provinzialrömische Archäologie: Prof. Dr. M. Mackensen, Dr. F. Schimmer, S. Schmid M.A. (alle Univ. München), M. Weber M.A. (Univ. Reading/GB)
  • Klassische Archäologie:  Prof. Dr. J. Eingartner (Univ. Augsburg)
  • Epigraphik: Prof. Dr. R. Haensch (Kommission für Alte Geschichte u. Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts, München)
  • Ostraka: Dr. Sabine Ziegler (Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Außenstelle Indogermanistik Univ. Jena)
  • Numismatik: Dr. H.-Chr. Noeske (vorm. Fundmünzen der Antike, Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz)

Beteiligte Naturwissenschaftler

  • Tachymetrische Geländevermessung, digitales Geländemodell u. Photogrammetrie: Dr. M. Stephani (LS für Photogrammetrie u. Fernerkundung, TU München)
  • 3D-Laserscanning: Prof. Dr. W. Hübner (Fakultät für Geoinformation, Hochschule München)
  • Geophysikalische Prospektion: Dr. S. Seren (Zentralanstalt für Meteorologie u. Geodynamik, Abt. Angewandte Geophysik, Wien)
  • Satelliten-Radardaten TerraSAR-X: Dr. M. Eineder (Deutsches Zentrum für Luft- u. Raumfahrt, Oberpfaffenhofen-Weßling)
  • Archäometrie (Keramikanalysen): PD Dr. G. Schneider (Institut für Anorgan. Chemie, FU Berlin), Dr. M. Daszkiewicz (Fa. Archea, Warszawa/PL)
  • C14 Analysen: Dr. A. Scharf  (AMS-Radiokarbonlabor, Physikal. Institut, Univ. Erlangen-Nürnberg)
  • Paläoanatomie: Dr. N. Pöllath (Institut für Paläoanatomie u. Geschichte der Tiermedizin, Univ. München)
  • Paläobotanik: Dr. J. Morales (Universidad de Las Palmas de Gran Canaria)

 

Literatur:

19. M. Mackensen, Survey and excavation of the German archaeological mission at the Roman fort of Myd(---)/Gheriat el-Garbia and its vicinity, 2009/2010. Libya Antiqua NS VI 2011/12 (2016) 83–102.

18. M. Mackensen/F. Schimmer, Interior Buildings of the Severan Oasis Fort of Gheriat el-Garbia in the Late Roman Period. In: L. Vagalinski/N. Sharankov (Hrsg.), LIMES XXII. Proceedings of the 22nd International Congress of Roman Frontier Studies Ruse, Bulgaria, September 2012. Bulletin of the National Archaeological Institute 42 (Sofia 2015) 351–358.

17. S. Ziegler/M. Mackensen, Spätantike Ostraka aus Gheriat el-Garbia (al-Qaryāt al-Garbīyah) in der Provinz Tripolitana (Libyen). Belege für eine regionale Variante des Punischen. Mitt. DAI Rom 120, 2014, 313–340.

16. M. Mackensen, Baubestand und Rekonstruktion der porta praetoria des severischen Vexillationskastells Myd(---)/Gheriat el-Garbia am limes Tripolitanus (Libyen). In: Römische Wehrbauten. Befund und Rekonstruktion. Inhalte –Projekte – Dokumentationen. Schriftenreihe Bayer. Landesamt für Denkmalpflege 7 (München 2013) 88–107.

15. M. Mackensen, New fieldwork at the Severan fort of Myd(---)/Gheriat el-Garbia on the limes Tripolitanus. Libyan Studies 43, 2012, 41–60.

14. F. Schimmer, New evidence for a Roman fort and vicus at Mizda (Tripolitania). Libyan Studies 43, 2012, 33–39.

13. F. Schimmer, Amphorae from the Roman fort at Gheriat el-Garbia (Libya). Acta RCRF 42 (Bonn 2012) 319-325.

12. M. Weber/S. Schmid, Supplying a desert garrison. Pottery from the Roman fort at Gheriat el-Garbia (Libya). Acta RCRF 42 (Bonn 2012) 327-335.

11. M. Mackensen, Das severische Vexillationskastell Myd(---) und die spätantike Besiedlung in Gheriat el-Garbia (Libyen). Bericht über die Kampagne im Frühjahr 2010. Mitt. DAI Rom 117, 2011, 247–375.

10. M. Mackensen, Gasr Wames, eine burgusartige Kleinfestung des mittleren 3. Jahrhunderts am tripolitanischen limes Tentheitanus (Libyen). Germania 87, 2009 (2011), 75-104.

9. M. Mackensen, Le fort romain et l'agglomération tardo-antique de Gheriat el-Garbia. Nouvelles recherches à la frange du désert (2009/2010). In: La Tripolitanie antique (Libye). L'Archéo Thema 17, nov.-déc. 2011, 59–65.

8. M. Mackensen/R. Haensch, Das tripolitanische Kastell Gheriat el-Garbia im Licht einer neuen spätantiken Inschrift: Am Tag, als der Regen kam. Chiron 41, 2011, 263–286.

7. M. Mackensen, Das severische Vexillationskastell Myd(---)/Gheriat el-Garbia am limes Tripolitanus (Libyen). Bericht über die Kampagne 2009. Mitt. DAI Rom 116, 2010, 363–458.

6. M. Mackensen, Kastelle und Militärposten des späten 2. und 3. Jahrhunderts am limes Tripolitanus. Der Limes. Nachrichtenbl. Deutsche Limeskommission 4 H.2, 2010, 20–24.

5. M. Mackensen, Am Rand der Wüste. Das römische Kastell Gheriat el-Garbia am limes Tripolitanus. Antike Welt H.1, 2011, 77–84.

4. M. Mackensen, Das commoduszeitliche Kleinkastell Tisavar/Ksar Rhilane am südtunesischen limes Tripolitanus. Kölner Jahrb. 43, 2010, 451–468.

3. M. Mackensen, Mannschaftsunterkünfte und Organisation einer severischen Legionsvexillation im tripolitanischen Kastell Gholaia/Bu Njem (Libyen). Germania 86, 2008, 271–306.

2. M. Mackensen, Tonabformung eines spätantiken kerbschnittverzierten Gürtelbeschlags aus dem zentraltunesischen Töpfereizentrum Sidi Marzouk Tounsi. Zur Mobilität comitatensischer Truppen. Germania 86, 2008, 307–322.

1. M. Mackensen, Die Grenze in Nordafrika am Beispiel der Provinzen Africa Proconsularis und Numidia. In: Grenzen des Römischen Imperiums. Sbd. Antike Welt (Mainz 2006) 62–71.