Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie
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Akademie-Kommission: Vergleichende Archäologie römischer Alpen- und Donauländer

Die Akademie-Kommission blickte 2007 auf ihr 50-jähriges Bestehen zurück (J. Werner bis 1994, G. Kossack bis 2004), bis 2007 unter der Bezeichnung ‚Kommission zur archäologischen Erforschung des spätrömischen Raetien“. Herausgegeben werden von ihr: Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte“ (erschienen 52 Bände) und „Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie. Materialien und Forschungen“ (erschienen 8 Bände). Zwei Forschungsschwerpunkte kennzeichnen die Arbeit der Kommission in thematischer Hinsicht: die Kontinuitätsproblematik, auf jeweils spezifische Weise fokussiert auf die frührömische Zeit an der Nahtstelle zwischen der späten Latènezeit und der Okkupation des Alpenvorlandes durch die Römer (1. Jahrhundert v. Chr. bis 1. Jahrhundert n. Chr.) einerseits und andererseits auf die Übergangsperiode von der Römerzeit/Spätantike ins frühe Mittelalter (ca. 3. bis 7./8. Jahrhundert n. Chr.). Wie zuvor gehören Forschungsgrabungen zur Tätigkeit der Kommission. Zuletzt: 1. Grabungen durch Dr. Werner Zanier in Kooperation mit dem Archäologischen Dienst Graubünden auf dem Septimerpass (2310 m ü. M.): Zum ersten Mal wurde ein alpiner Lagerplatz des augusteischen Okkupationsheeres (Alpenfeldzug 15 v. Chr.) nachgewiesen, zugleich das höchst gelegene Militärlager im Reich. Besonders hervorzuheben sind gestempelte Schleuderbleie mit Nennung der 3., 10. und 12. Legion, über deren Beteiligung am Alpenfeldzug bislang nichts bekannt war.

 

Insgesamt sind bisher knapp 1200 antike Fundobjekte bekannt geworden, wobei die Metallobjekte klar dominieren: etwa 60 Münzen, über 400 Schuhnägel, über 70 Zeltheringe, ca. 50 eiserne Waffen, über 30 Werkzeuge und Geräte, mehr als 220 Schleudersteine u.a. Exzeptionell ist der Fund eines Steines mit Ritzinschrift, in der die schon auf Schleuderbleien belegte 12. Legion genannt ist. Das etwa 1,5 ha große Lager wird nach Süden von einem breiten Wall aus Rasensoden mit Steinlagen abgegrenzt und bot Platz für etwa 300 bis maximal 500 Soldaten. Feste Bauten aus Stein oder Holz gab es nicht. Die zahlreichen Zeltheringe deuten darauf hin, dass die Soldaten in Zelten wohnten. Aufgrund der extremen Witterungsbedingungen  mit viel Schnee während der meisten Zeit des Jahres konnte der Passübergang sicher nur drei bis vier Monate besetzt gewesen sein. Das saisonal genutzte Langer wurde frühestens 16 v. Chr. errichtet, und zwar zur Vorbereitung des Alpenfeldzugs im folgenden Jahr. Seine Hauptaufgabe war 30 Jahre lang die Kontrolle des Passübergangs, vor allem galt es, an dieser neuralgischen Stelle einen sicheren Transport von Nachschublieferungen für das im Norden operierende Eroberungsheer zu gewährleisten. – 2. Grabungen in der spätantik-frühmittelalterlichen Höhensiedlung von S. Martino di Lomaso im südlichen Trentino (Ostjudikarien) in Kooperation mit der Archäologischen Denkmalpflege in Trient (örtl. Grabungsleiter: Dr. M. Zagermann). Die erste Grabungskampagne fand im Sommer 2008 statt. Im mittleren Alpenraum ist keines der in den Schriftquellen, vor allem durch Paulus Diaconus, genannten Castra erforscht. Die vollständige Ausgrabung dieser Anlage auf S. Martino, vermutlich das castrum Ennemase des Paulus, soll die Quellenlücke schließen. Einbezogen  ist auch das Problemfeld der Tal- und Höhensiedlung im 5.-7./8. Jahrhundert durch Untersuchungen in der umgebenden Talschaft. 2008 konnten u.a. Trockenmauern freigelegt werden, die als Substruktionen für Fachwerk- oder reine Holzbauten dienten. Münzfunde und das Bruchstück eines aus Nordafrika importierten Tellers deuten auf eine Besiedlung bereits im späten 3. und 4. Jahrhundert hin. Das 6./7. Jahrhundert ist gut belegt durch zahlreiche Kleinfunde, darunter Trachtzubehör.

 

Über die50-jährige Geschichte der Kommission und deren Zielsetzungen: vgl. „Akademie Aktuell. Zeitschrift der Bayerischen Akademie der Wissenschaften“, Ausgabe 04/2007, S. 25-31.